Forschende des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Uniklinik RWTH Aachen sind zu einer vielversprechenden pharmakologischen Methode zur Inaktivierung krankheitsrelevanter Proteinkinasen gekommen. Die entdeckten Wirkstoffe, die in Tumorzellen Proteinkinasen als „Zellabfall“ markieren und zerstören, eröffnen neue Perspektiven in der Krebsforschung.
Die Arbeitsgruppe rund um apl. Prof. Dr. rer. nat. Walter Becker am Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Uniklinik RWTH Aachen beschäftigt sich mit der Untersuchung sogenannter Proteinkinasen. Diese speziellen Proteine (Enzyme) haben zentrale Funktionen bei der Steuerung aller wichtigen Zellfunktionen. Die übermäßige Aktivität von Proteinkinasen ist bei vielen Krebserkrankungen entscheidend für die Vermehrung der Tumorzellen. Deshalb sind Proteinkinasen wichtige Zielproteine für die Entwicklung von Medikamenten für die Krebstherapie. Das Team am Institut für Pharmakologie und Toxikologie hat die Proteinkinasen DYRK1A und DYRK1B entdeckt und konzentriert sich zur Zeit auf die Erforschung der Funktion von DYRK1B bei Krebserkrankungen. Die DYRK1B-Kinase kommt bei bestimmten Tumoren in viel größerer Menge vor als in gesundem Gewebe, und sie spielt vermutlich eine wichtige Rolle bei der Resistenz von Krebszellen gegenüber Chemotherapie und strahlentherapeutischer Behandlung. In dem wissenschaftlichen Paper „Discovery and Functional Characterization of a Potent, Selective, and Metabolically Stable PROTAC of the Protein Kinases DYRK1A and DYRK1B”, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Journal of Medicinal Chemistry, stellen die Forschenden jetzt neu entwickelte Wirkstoffe gegen DYRK1A und DYRK1B vor.
Funktionsweise der Wirkstoffe
Die übliche Strategie bei der Entwicklung von Arzneistoffen gegen übermäßig aktive Proteinkinasen besteht darin, die Aktivität dieser Enzyme zu blockieren. Zwar sind die Proteinkinasen dann immer noch vorhanden, der Wirkstoff hemmt aber ihre biochemische Funktion im Krankheitsgeschehen. Die von den kooperierenden Chemikern an der University of Arizona in den USA entwickelten neuartigen Wirkstoffe, sogenannte PROTACs (Proteolysis Targeting Chimera), wirken anders: Sie bewirken die Zerstörung der Zielproteine. Dabei werden die Proteinkinasen mit der Maschinerie abgebaut, mit der Zellen normalerweise funktionsunfähige und unbrauchbare Proteine beseitigen. „Die Wirkung von PROTACs besteht darin, dass sie die jeweiligen Zielproteine, in diesem Fall die Proteinkinasen DYRK1A und DYRK1B, mit einer Ubiquitin-Ligase zusammenbringen, also einem Enzym, das die Zielproteine mit einem besonderen Signal für die Zerstörung durch den zellulären „Müllschredder“ kennzeichnet.“, erklärt der Forschungsleiter Prof. Becker. Die Uniklinik RWTH Aachen ist an einem Patent für die Wirkstoffe beteiligt.
In Zusammenarbeit mit den amerikanischen Forschungspartnern hat vor allem Gerrit Wilms, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Aachener Uniklinik, die Wirkung der PROTACs für DYRK1A und DYRK1B im Detail aufgeklärt und mit Laborexperimenten den am besten geeigneten Wirkstoff identifiziert. Damit kann das optimale PROTAC jetzt von anderen Kooperationspartnern in präklinischen Krankheits-Modellen untersucht werden. „Wir blicken gespannt auf die Ergebnisse der laufenden In-Vivo-Studien, deren Erfolg ein wichtiger Schritt für die Entwicklung neuer Medikamente wäre“, so Prof. Becker.
Die Originalpublikation finden Sie hier: Discovery and Functional Characterization of a Potent, Selective, and Metabolically Stable PROTAC of the Protein Kinases DYRK1A and DYRK1B | Journal of Medicinal Chemistry (acs.org).