Wichtige Forschungsergebnisse des Instituts für Humangenetik der Uniklinik RWTH Aachen in der Fachzeitschrift Clinical Genetics veröffentlicht
Entwicklungsstörungen werden bei etwa 2 Prozent aller Kinder beobachtet und gehören wegen der bislang nur begrenzten Möglichkeiten einer ursächlichen Therapie und der hohen psychosozialen Belastung der betroffenen Familien weiterhin zu den größten medizinischen Herausforderungen unserer Gesundheitsversorgung. Ein relevanter Teil dieser Entwicklungsstörungen wird durch genetische Veränderungen verursacht. Neben Störungen der Träger unserer Erbanlagen, der sogenannten Chromosomen, sind in den vergangenen Jahren durch den zunehmenden Einsatz von neuen Hochdurchsatzverfahren der Gensequenzierung (Next Generation Sequencing, NGS) in vielen Fälle auch Einzelgenveränderungen als Ursache in den Fokus der Abklärung gerückt. Inzwischen sind über 1.000 Gene bekannt, deren Veränderungen zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen führen können. Hierbei spielen nicht selten sogenannte Neumutationen eine wichtige Rolle, die bei den jeweiligen Elternteilen nicht nachweisbar sind und in der Regel in einer Keimzelle (Ei- oder Samenzelle), aus der das Kind mit der Entwicklungsstörung hervorgegangen ist, neu entstanden sind.
Aus der Erfahrung der Betreuung betroffener Familien im Rahmen der humangenetischen Beratung an der Uniklinik RWTH Aachen zeigt sich, dass eine eindeutige Diagnosestellung durch den Nachweis der zugrundeliegenden genetischen Veränderung in der Regel eine diagnostische Odyssee für die Familien beendet. Es sind eine verlässliche Beratung hinsichtlich familiärer Wiederholungswahrscheinlichkeiten und eine zielgerichtetere Betreuung der betroffenen Kinder möglich.
Kürzlich wurden im Rahmen einer großen Studie Veränderungen im CNOT3-Gen als Ursache einer Entwicklungsstörung erstmals bei 16 Patienten beschrieben. In allen Fällen war die Veränderung des CNOT3-Gens neu aufgetreten und bei den Eltern nicht nachweisbar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Humangenetik der Uniklinik RWTH Aachen haben nun in interdisziplinärer Zusammenarbeit unter anderem mit Kolleginnen und Kollegen aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen in zwei Familien diese neue Form der genetischen Entwicklungsstörung als von einer Generation zur nächsten vererbte Störung nachgewiesen. Dieser erstmalige Nachweis einer autosomal dominanten Vererbung der CNOT3-assoziierten Entwicklungsstörung, der in der Fachzeitschrift Clinical Genetics veröffentlicht wurde, leistet einen wichtigen Beitrag für die Begleitung von Familien mit dieser und anderen Formen der genetischen Entwicklungsstörungen. Er zeigt auch, wie die neuen Sequenziertechnologien erfolgreichen Einzug in die Krankenversorgung nehmen und Hoffnung machen, die molekularen Basismechanismen von genetischen Entwicklungsstörungen zunehmend aufklären zu können. In der Zukunft soll das Verständnis der genetischen Ursachen die Grundlage für neue gezielte Therapien sein.