microRNAs sollen Früherkennung vereinfachen
Rund 250.000 Frauen deutschlandweit sind von einer Zervixdysplasie betroffen. Darunter versteht man eine Zellveränderung am Gebärmutterhals, im Fachjargon Zervix genannt. Eine Dysplasie ist kein Krebs, kann aber im weiteren Verlauf dazu führen. Ein Team aus Wissenschaftlern an der Uniklinik RWTH Aachen erforscht anhand von auffälligen PAP-Abstrichen die microRNAs, um künftig schneller und unkomplizierter vorhersagen zu können, ab wann eine Krebsvorstufe behandlungsbedürftig ist.
Die Dysplasie-Sprechstunde der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen brummt: Wöchentlich kommen zahlreiche Frauen, bei denen im Rahmen einer gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung ein auffälliger Krebsvorsorgeabstrich, der sogenannte PAP-Abstrich, gemacht wurde. „Das heißt nicht gleich, dass diese Frauen an Krebs erkrankt sind. Aber der Verlauf der Zellveränderung, die wir Dysplasie nennen, sollte in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. In einigen Fällen ist auch eine Behandlung notwendig“, sagt Oberärztin Dr. med. Julia Wittenborn, Leiterin der Dysplasie-Sprechstunde. Die Dysplasie lässt sich in drei Schweregrade unterteilen: Grad 1 ist harmlos und nicht behandlungsbedürftig, darum heißt es erst einmal: abwarten. Grad 2 muss nicht zwingend therapiert werden, hier wird individuell entschieden. Bei Grad 3 müssen die Ärzte handeln – oft bleibt keine andere Wahl, als ein Stück des Gebärmutterhalses zu entfernen.
Unterschiedliche Verläufe
Die verschiedenen Verläufe hängen mit der Ursache einer Dysplasie zusammen: eine Infektion mit dem Humanen Papillomvirus. „In den meisten Fällen erkennt der Körper die Infektion als solche und bekämpft sie, die Dysplasie bildet sich zurück. Nach dem Genesungsprozess ist wieder alles in Ordnung“, sagt Dr. Wittenborn. Allerdings gibt es auch Patientinnen, deren Immunsystem nicht gegen das Virus ankommt – dann kann es gefährlich werden. Um herauszufinden, ob eine Dysplasie vorliegt und wie weit diese fortgeschritten ist, wird eine Gebärmutterhalsspiegelung, die Kolposkopie, gemacht. Ist diese auffällig, erfolgt routinemäßig eine Biopsie. Es gibt zwei Nachteile: Zum einen müssen die Patientinnen die Diagnose abwarten. Viele bangen um ihre Gesundheit, bis das endgültige Ergebnis vorliegt. Zum anderen wird bei zahlreichen Frauen eine Biopsie gemacht, obwohl ihre Dysplasie im Anschluss keiner weiteren Behandlung bedarf. „Diese Patientinnen möchten wir gerne vorab ‚rausfischen‘, um ihnen das Prozedere zu ersparen“, so die Dysplasie-Expertin.
miRNAs sollen bei Diagnostik helfen
Hier kommen die microRNAs, kurz miRNAs, ins Spiel. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der Steuerung grundlegender biologischer Prozesse und damit für die Entstehung von Krebs. Das dreiköpfige Team um Dr. Wittenborn hat sich zum Ziel gesetzt, das Diagnoseverfahren für eine Dysplasie zu vereinfachen, indem es die Rolle der miRNAs bei der Krankheitsentstehung entschlüsselt. „Wir wollen künftig besser vorhersagen können, welche Krebsvorstufen behandlungsbedürftig sind und welche nicht. Am besten sogar, ohne vorher eine Probe vom Gebärmutterhals nehmen und dann auf das Ergebnis warten zu müssen“, berichtet Dr. Wittenborn.
Die Erforschung des neuen Verfahrens funktioniere nur dank der Patientinnen, die einer Speicherung der Abstriche und Biopsien in der Biobank zustimmen. „Da die Frauen keinen Nachteil dadurch haben und wissen, dass sie mit ihrer Zustimmung einen wichtigen Beitrag für die medizinische Forschung leisten, sagen 99 Prozent der Frauen gerne zu. Dafür sind mein Team und ich sehr dankbar“, betont die Oberärztin, die seit eineinhalb Jahren mit einem Biologen und einer Doktorandin an dem Thema forscht. Im Labor legt das Team die PAP-Abstriche der Frauen, die eine Dysplasie haben, in eine spezielle Lösung und zieht die Zellen heraus, die eine Dysplasie verursachen. Daraus wiederum wird die microRNA extrahiert.
Das Forscherteam hat bereits zahlreiche Daten gesammelt und hofft, in einigen Monaten erste Ergebnisse veröffentlichen zu können. „Wir sind auf einem gutem Weg, die Krebsfrüherkennung am Gebärmutterhals einfacher, schneller und unkomplizierter zu machen. Wenn wir wissen, ab wann eine Krebsvorstufe behandlungsbedürftig ist, können wir einigen Patientinnen gegebenenfalls ersparen, eine Probe des Gebärmutterhalses zu entnehmen. Das wäre ein großer Fortschritt.“