Urin hilft bei der Früherkennung
Ein paar Tropfen Urin könnten künftig ausreichen, um eine Brustkrebs-Diagnose zu stellen. Der große Vorteil des Verfahrens: Es kommt ganz ohne Blut oder Gewebe aus.
Die Vorstellung ist verlockend: In Zukunft könnten wenige Milliliter Urin ausreichen, um nachzuweisen, ob ein Patient an Krebs erkrankt ist. Je nach Analyseergebnis wäre sogar klar, welche Art von Tumor im Körper wächst und womit er sich am effektivsten behandeln lässt. Zugegeben, dieser Blick reicht sehr weit in die Zukunft, aber die Anfänge sind heute schon gemacht. An der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin der Uniklinik RWTH Aachen forschen Wissenschaftler daran, Brustkrebs anhand kleinster Moleküle im Urin zu erkennen.
Schlüssel zu dieser Art der Diagnostik sind die sogenannten microRNAs, kurz miRNAs. Dies sind kleinste Schnipsel RNA, die vor allem bei der Regulation des Zellstoffwechsels eine wichtige Rolle spielen. Inzwischen sind rund 2000 solcher miRNAs bekannt. Welche davon bei Patientinnen mit Brustkrebs besonders häufig oder auch auffällig selten vorkommen, versucht eine Forschungsgruppe um Univ.-Prof. Dr. med. Elmar Stickeler, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, herauszufinden. „Wir möchten ungefähr 20 miRNAs identifizieren, aus deren spezifischer Konzentration im Urin sich eine Brustkrebserkrankung zuverlässig ableiten lässt“, erklärt Dr. Jochen Maurer, Leiter der Molekularen Gynäkologie der Klinik. „In ersten Versuchen konnten bereits vier der kleinen Hinweisgeber identifiziert werden, die mit 91-prozentiger Sicherheit auf ein Mammakarzinom deuten.“ Dafür verglichen die Wissenschaftler den Urin von Frauen mit und ohne Brustkrebs. Nun sind die Forscher dabei, die Ergebnisse mit großen Patientinnengruppen zu überprüfen und noch detaillierter zu bearbeiten. Ihr Ziel ist es, einen zuverlässigen Test zu entwickeln, der zunächst bei auffälligen Befunden im Labor eingesetzt und später vielleicht sogar als Schnelltest in jeder Frauenarztpraxis verfügbar sein soll. Doch bis dahin dauert es noch. „Da nur wenige miRNA-Moleküle im Urin vorkommen, müssen diese erst vermehrt werden, bevor man eine Analyse durchführen kann“, erläutert Dr. Maurer. Zudem müssen die Forscher herausfinden, ob Faktoren wie Medikamente, zum Beispiel Chemotherapien, die miRNAs beeinflussen. Klar ist jetzt schon, dass die miRNAs als Biomarker für eine Reihe von Erkrankungen vielversprechend sind. Daher rücken sie immer mehr in den Fokus der Biomediziner.
Je früher, desto besser
Für den Brustkrebs gilt: Je früher er erkannt wird, desto besser ist die Heilungschance. Rund 71.000 Neuerkrankungen werden in Deutschland pro Jahr gemeldet, Tendenz steigend. Statistisch ist also jede achte Frau betroffen. Und obwohl die Heilungschancen insgesamt sehr gut sind, ist das Mammakarzinom in Deutschland die häufigste krebsbedingte Todesursache mit 17.000 Sterbefällen pro Jahr. Die Ursachen und Risikofaktoren sind bei Brustkrebs sehr vielfältig, daher ist eine Standardtherapie nicht sinnvoll. Besonders problematisch ist, dass 80 Prozent der Brustkrebsfälle von den Patientinnen selbst entdeckt werden. Doch ehe ein Tumor tastbar ist, ist sein Wachstum bereits weit fortgeschritten. Ließe sich durch den Urintest ein Tumor schon viel früher detektieren, könnte das die Sterblichkeit um 25 Prozent senken.