Mehr als 60 Prozent aller Menschen, die wegen eines Infarktes oder einer akuten Durchblutungsstörung des Herzmuskels ins Krankenhaus kommen, haben Diabetes oder zumindest einen gestörten Zuckerstoffwechsel. Die Zuckerkrankheit, wie Diabetes umgangssprachlich genannt wird, fördert Gefäßverkalkungen, die Arteriosklerose. Das erhöht das Herzinfarktrisiko: Verkalken Herzkranzgefäße, wird der Herzmuskel nicht mehr ausreichend durchblutet und es kann zu einem Infarkt kommen. Bei Menschen mit Typ 2-Diabetes kommen oftmals weitere Risikofaktoren für Gefäßverkalkungen hinzu, zum Beispiel erhöhte Blutzuckerwerte, erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht.
Diabetes ist eine der Hauptursachen für Herzerkrankungen wie Herzinfarkt oder Herzschwäche. Eine Gruppe neuer antidiabetischer Medikamente senkt nicht nur den Blutzucker, sondern wirkt sich gleichzeitig positiv auf eine Herzschwäche aus – doch niemand weiß, warum. An der Uniklinik RWTH Aachen suchen Kardiologen Antworten.
Hoffnung für Typ 2-Diabetiker
Seit wenigen Jahren ist eine Gruppe neuer blutzuckersenkender Medikamente, sogenannte SGLT2-Hemmer wie Empagliflozin, Dapagliflozin oder Canagliflozin, für die Behandlung von Patienten mit Typ 2-Diabetes erhältlich. Sie führen dazu, dass der vermehrte Zucker im Blut über die Niere aus dem Körper ausgeschieden wird. Verschiedene Studien legen nahe, dass diese Medikamente nicht nur die Blutzuckerwerte verbessern, sondern zugleich eine längere Lebenszeit prognostizieren. Empagliflozin zum Beispiel verringert kardiovaskuläre Todesfälle um erstaunliche 30 bis 40 Prozent. Warum das so ist, ist Ärzten bislang noch ein Rätsel: „Das Medikament verbessert nachweislich die Herzinsuffizienz, die sogenannte Herzschwäche, um 35 Prozent; Patienten leben länger. Für uns als Kardiologen ist natürlich interessant, warum sich diese Prognose verbessert“, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Michael Lehrke, Oberarzt an der Klinik für Kardiologie, Pneumologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.
Das Forschungsteam rund um Dr. Lehrke setzt dabei vor allem bei der Frage nach der Herzfunktion an. „Es wäre durchaus denkbar, dass das Herz unter Gabe von Medikamenten wie Empagliflozin leistungsstärker wird“, so der Herzspezialist. Interventionsstudien sollen Antworten bringen: Dabei erhält eine Gruppe von Typ 2-Diabetikern mit einer Herzinsuffizienz das Medikament, eine andere Gruppe ein Placebo. Der Vergleich beider Gruppen anhand ihrer Herzfunktion kann zeigen, wie das Medikament auf das Herz wirkt. Aktuell werden stabile Patienten untersucht, anschließend werden Patienten mit einer akuten Herzinsuffizienz in den Fokus rücken.
Viele Vorteile für die Patienten
Fragt man Dr. Lehrke nach den Vorteilen dieser Untersuchungen für die Patienten, kann er gleich eine Reihe an Punkten nennen: „Wenn unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Herzfunktion verbessert, ist das der erste direkte Vorteil für den Patienten: Im Alltag ist das deutlich spürbar.“ Und wenn dieses eine Medikament verschiedene Zusatznutzen bringt, kann der Patient vielleicht auf andere Medikamente verzichten. „Patienten müssen gegebenenfalls für verschiedene Leiden nicht mehr viele, sondern nur ein einzelnes Präparat nehmen. Das ist zum einen hinsichtlich der möglichen Nebenwirkungen pro Medikament erfreulich. Zum anderen ist es weniger belastend für andere Organe wie zum Beispiel die Niere. Insbesondere bei langfristig einzunehmenden Medikamenten wie Diabetes-Präparaten ist das ein großer Lichtblick“, ergänzt der Aachener Kardiologe.