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Kurzschluss im Gehirn

von Uniklinik RWTH Aachen15. November 2017 in Neurowissenschaften,
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v. l.: Dr. med. Rainer Surges, Dr. med. Ummehan Ermis und Kerstin Schünemann werten gemeinsam die Ergebnisse des Monitorings aus.

Gefühls- oder Sprachstörungen, Zuckungen und optische Phänomene – die Symptome einer Epilepsie sind ebenso vielfältig wie die Ursachen, die die Anfälle hervorrufen. Diese zu erforschen und die Therapiemöglichkeiten zu optimieren, ist Aufgabe des Expertenteams um den Epileptologen Privatdozent Dr. med. Rainer Surges aus der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen.


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Bundesweit leben mehr als 600.000 Menschen mit Epilepsie, jährlich kommen 40.000 neue Patienten hinzu. Die Epilepsie kann jeden treffen, sie machte auch vor bekannten Persönlichkeiten wie Julius Caesar, Napoleon Bonaparte und Sir Isaac Newton nicht halt. Was genau man unter einer Epilepsie versteht, bringt Dr. Surges auf den Punkt: „Eine Epilepsie ist die dauerhafte abnorme Neigung des Gehirns, Anfälle zu generieren.“ Dabei ist der gemeinhin mit einer Epilepsie assoziierte ‚Krampfanfall mit Schaum vorm Mund‘ nur eine seltene Ausprägung unter vielen Anfallsformen. Vielmehr treten Symptome wie Schmatzen, Starren oder Zuckungen auf. In der Regel dauert ein Anfall 30 Sekunden, manchmal eine Minute. Auch die Häufigkeit der Anfälle variiert: Bei manchen Patienten ist zehnmal am Tag ein Anfall zu verzeichnen, bei anderen nur alle sechs Monate oder seltener. „Die meisten Patienten sind durch die Epilepsie nicht in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Die sogenannten Absencen, die man sich wie eine kleine Bewusstseinspause vorstellen muss, fallen unter Umständen nicht einmal auf“, so Dr. Surges. Anders ist es bei Menschen, die einen Grand mal erleiden – so werden die großen Anfälle genannt. Sie verlieren das Bewusstsein und stürzen, während der Körper von schweren Krämpfen und Zuckungen heimgesucht wird. Die großen Anfälle schaden dem Gehirn zwar nicht, sind aber für die Patienten mit vielen Gefahren verbunden; Auto fahren oder schwimmen ohne Aufsicht zum Beispiel sind für sie tabu. „Epilepsieanfälle kommen oft wie aus dem Nichts, hin und wieder kündigen sie sich an, etwa mit einem komischen Geruch, einem seltsamen Gefühl im Körper und Kopf oder einem bestimmten Geschmack. Genau genommen ist das jedoch bereits Teil des Anfalls“, erklärt Dr. Surges. Helfen können Außenstehende bei einem Anfall nur bedingt: „Man sollte versuchen, den Patienten davor zu bewahren, sich zu verletzen. Kommt Mageninhalt nach oben, besteht die Gefahr des Verschluckens. Am besten bringt man die Person dann in die stabile Seitenlage“, empfiehlt der Epileptologe.

Rund zwei Drittel aller Menschen mit Epilepsie werden erfolgreich mit Medikamenten, sogenannten Antiepileptika, behandelt, sie haben keine Anfälle mehr. Allerdings muss etwa die Hälfte von ihnen diese Medikamente ein Leben lang einnehmen. Bei einem Drittel der Patienten gestaltet sich die Behandlung wesentlich schwieriger. Entweder sind die Medikamente nicht wirksam oder es treten belastende Nebenwirkungen auf. „Die Zahlen zeigen, dass ein großer Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Epilepsie besteht. Ein wesentliches Ziel in der Krankenversorgung ist es, die Ursachen der Epilepsie zu erforschen und die Behandlungsoptionen zu optimieren“, sagt Dr. Surges.

Ursachenforschung

Nur die wenigsten wissen, dass es sich bei einer Epilepsie nicht um eine Erkrankung im eigentlichen Sinne handelt. Die Epilepsie ist zumeist die Folge einer anderen Hirnerkrankung, beispielsweise einer Hirnaufbaustörung, einer Hirnverletzung durch Unfälle oder eines Schlaganfalls. Die Ursache kann auch in einem Tumor oder in einer Hirnhautentzündung begründet liegen. Das herauszufinden, ist Aufgabe des Teams von Dr. Surges, der die Sektion Epileptologie seit Mai 2017 leitet.

Epileptologie mit nicht-invasivem und invasivem Monitoring

In dem Stützpunkt der Sektion für Epileptologie sieht es ein wenig aus wie an der Börse: Zahlreiche Monitore zieren den Raum. Auf jedem ist einer der bis zu acht Patienten zu sehen, die stationär aufgenommen worden sind, um ihre Anfälle aufzuzeichnen. Dabei werden die elektrische Hirnaktivität gemessen und die Symptome per Video dokumentiert. Dieses Monitoring kann einige Tage dauern. „Bei einem Teil der Patienten implantieren wir Elektroden direkt in verschiedene Hirngebiete. Auf diese Weise können wir die Hirn- und Anfallsaktivität unmittelbar im Gehirn messen und anschließend sehr präzise bestimmen, aus welchem Hirngebiet die Anfälle kommen“, erklärt Dr. Surges. Mithilfe dieser speziellen Untersuchungen können die Experten herausfinden, ob sich die Epilepsie durch eine neurochirurgische Entfernung bestimmter Hirnbereiche heilen lässt. Ist der Ursprungsort identifiziert, stellt sich den Spezialisten die wichtigste Frage: Ist es ihnen möglich, die Region herausnehmen, ohne Schaden anzurichten? Fällt die Antwort positiv aus, entfernt Univ.-Prof. Dr. med. Hans Clusmann, Direktor der Klinik für Neurochirurgie und Spezialist für Epilepsiechirurgie an der Aachener Uniklinik, den Teil des Gehirns, in dem die Anfälle entstehen. Einem Großteil kann mit der OP geholfen werden. Von diesen spezialisierten Untersuchungen und dem Eingriff profitiert auch die Forschung. So können beispielsweise die im Hirn liegenden Elektroden zur Erforschung verschiedener Hirnfunktionen genutzt werden. Außerdem verwenden die Wissenschaftler das bei der Operation entfernte menschliche Gewebe für Untersuchungen zellulärer Mechanismen der Hirnerregbarkeit.

Medizintechnologische Entwicklungen nutzen

Darüber hinaus bieten sich etliche Anknüpfungspunkte im Bereich der Medizintechnologie. Beispielsweise prüfen die Forscher in Zusammenarbeit mit Dr. Stephan Jonas aus dem Institut für Medizinische Informatik der Uniklinik RWTH Aachen die Brauchbarkeit von mobilen EEG-Geräten. Auch Untersuchungen mit sogenannten Wearables wie Smartwatches und Fitnesstrackern sind künftig geplant.

„Die Erforschung der Epilepsie ist ein weites Feld, ich vergleiche sie gern mit Detektivarbeit. Manchmal geht es auch darum herauszufinden, dass jemand nicht an einer Epilepsie leidet. Immerhin werden in Deutschland schätzungsweise 100.000 Patienten mit Medikamenten gegen Epilepsie behandelt, obwohl sie gar nicht an einer Epilepsie leiden. Das möchten wir mit unseren Forschungserkenntnissen ändern“, sagt Dr. Surges. Quadrate_Satzende

 

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