Das Leibniz Joint Lab „First in Translation“ (fiT) in Aachen hat sich zum Ziel gesetzt, die Lücke zwischen biomedizinischen Neuentwicklungen aus dem Labor und der Überführung ans Patientenbett zu schließen. Damit wird Ärztinnen und Ärzten ein Weg geebnet, ihre eigenen Ergebnisse aus Forschung und Materialentwicklung in die klinische Praxis zu übertragen. Im Interview sprechen Prof. Dr. Sven Stegemann, Geschäftsführender Leiter fiT, und Dr. Rainer Schuckelt, Koordinierender Geschäftsführer des Centers for Translational & Clinical Research (CTC-A) an der Uniklinik RWTH Aachen, über ihre zukünftige Zusammenarbeit, geplante Projekte und berufliche Ziele.
Herr Prof. Stegemann, was ist das Leibniz Joint Lab fiT und was geschieht dort?
Prof. Stegemann: Das Joint Lab fiT ist eine Infrastruktur für die Herstellung klinischer Prüfmuster nach den geltenden Normen und Richtlinien wie Good Manufacturing Practice (GMP) und ISO. Dazu stellen wir entsprechende Labore für die Validierung und Reinräume für die Herstellung der klinischen Prüfmuster zur Verfügung. Dies geschieht in Abstimmung mit dem CTC-A, das diese Prüfmuster dann erstmalig in einer klinischen Studie an Probandinnen und Probanden einsetzen wird.
Wann startet das Leibniz Joint Lab fiT und die klinische Translation?
Prof. Stegemann: Die Infrastruktur des Leibniz Joint Lab fiT steht bereits und wir sind dabei, das Qualitätsmanagement-System und die Ablaufstrukturen in enger Zusammenarbeit mit dem Translationszentrum des CTC-A zu etablieren. Wir sind also „jetzt“ bereit, konkrete Projekte mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Klinikerinnen und Klinikern anzugehen.
Dr. Schuckelt: Das Translationszentrum des CTC-A existiert ja bereits seit 2010, es berät und unterstützt seitdem erfolgreich „Investigator Initiated Trials“. Durch die Zusammenarbeit mit dem Joint Lab fiT können wir nun auch klinische Studien von neuen Medizinprodukten unterstützen, die im Umfeld unserer Hochschule entwickelt wurden und deren klinische Prüfmuster sich nun im Leibniz Joint Lab fiT herstellen lassen.
Herr Prof. Stegemann, wie wollen Sie sich konkret mit dem Joint Lab fiT in die Translation einbringen?
Prof. Stegemann: Die Uniklinik RWTH Aachen hat schon vor Jahren erkannt, dass die klinische Translation, also die Weiterentwicklung herausragender Grundlagenforschung in eine erste klinische Prüfung, ein Zukunftsthema der Wissenschaft sein wird. Ohne entsprechende Translationsinfrastrukturen am Standort Aachen werden wir dazu aber nicht in der Lage sein und somit auch das Potential unserer Innovationskraft nicht voll ausschöpfen können. Mit dem Leibniz Joint Lab fiT werden wir somit eine weitere Lücke – nämlich die der eigenen Entwicklung und Herstellung klinischer Prüfmuster – schließen. Eine erfolgreiche Translation kann aber nur in enger Abstimmung mit den verschiedenen Disziplinen erfolgen, die wir über unsere enge Zusammenarbeit mit dem CTC-A sicherstellen werden.
Was treibt Sie an, was ist Ihre Zukunftsvision?
Prof. Stegemann: Der Standort Deutschland ist durch eine enorme Innovationskraft geprägt, deren wirtschaftliche Wertschöpfung allerdings viel zu oft von Firmen in anderen Ländern erfolgreich umgesetzt wird. Aufgrund der hervorragenden Vernetzung mit Unternehmen und anwendungsorientierten Forschungsinstituten bieten die RWTH Aachen University und die Uniklinik ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Translationsprozess. Neben den vielen guten Ideen und Entwicklungen braucht die Grundlagenforschung eine Infrastruktur, die es ermöglicht, vor Ort derartige Entwicklungen an die Patientinnen und Patienten zu bringen und die Wertschöpfung in und aus Deutschland heraus zu erhalten. Diesem Problem wollen wir mit einer effizienten Translationsinfrastruktur in Aachen begegnen: der Schwerpunkt und das Ziel unserer Arbeit liegt auf der Vervollständigung und Verstetigung der Translationskette von der Grundlagenforschung bis zu first in patient-Studien. Dies treibt mich und das gesamte Team an und ist gleichzeitig unsere Vision.
Herr Dr. Schuckelt, welchen Beitrag werden Sie und das Joint Lab fiT zur Wissensvermehrung leisten?
Dr. Schuckelt: Die regulatorischen und translationalen Anforderungen stellen für Forschende häufig eine unüberwindbare Hürde dar, die sie als prohibitiv für ihr Projekt empfinden. Mit der Kooperation zwischen dem CTC-A und dem Leibniz Joint Lab fiT wollen wir dazu beitragen, diese wahrgenommenen Hürden überwindbar zu machen und Forschende motivieren, Translation als natürlichen Prozess ihrer Grundlagenforschung zu sehen. Hierbei geht es nicht nur um unsere Unterstützung bei regulatorischen Vorgaben, sondern auch um ganz praktische Hilfestellungen, zum Beispiel im Aufbau und der Erstellung der technischen Dokumentation für Medizinprodukte. Diese wird benötigt, um ein Medizinprodukt am Menschen anwenden zu dürfen und ist somit unabdingbar für die weitere Entwicklung hin zu neuen therapeutischen und diagnostischen Anwendungen. Wir seitens des CTC-A verstehen uns als Inkubator und Schulungszentrum für die klinische Translation neuer Ansätze an der RWTH Aachen. Dazu stehen wir den Forschenden frühzeitig mit einer Beratung zur Verfügung und entwickeln parallel dazu für die Wissensvermehrung neue Trainings- und Lehrkonzepte für die Translation der vielfältigen Produkte, die an der RWTH Aachen entwickelt werden. So möchten wir dazu beitragen, den Status der RWTH Aachen University als Exzellenzuniversität zu festigen. Wir sehen in dieser Vielfalt Herausforderungen, aber auch enorme Möglichkeiten, unterschiedliche Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse durch generelle, individuelle und prozessbegleitende Strukturen erfolgreich in Produkte für eine fortschrittliche Patientenversorgung zu entwickeln.
Was sind die Ziele der Kooperation – und welche Projekte beziehungsweise Felder stehen im Fokus?
Prof. Stegemann: Durch die Kombination der Leibniz- und der Uniklinik-Translationsinfrastruktur entwickeln wir ein Alleinstellungsmerkmal, das allen patientenorientierten Forschenden offensteht. Politisch und strategisch ist unser Ziel, mit unserem Translationszentrum einen Inkubator für Neuentwicklungen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu schaffen. Durch frühzeitige Fokussierung von Aachen auf den Aufbau eines solchen Translationszentrums versprechen wir uns, eine Art „Silicon Valley“ für Medizinprodukte zu werden. Dies ist gespeist von der Dynamik und den Stärken einer technischen Exzellenzuniversität sowie den Kompetenzen einer renommierten medizinischen Universitätsklinik. Schauen wir fünf Jahre weiter, ins Jahr 2028, wollen wir an der RWTH neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Ideen nicht mehr im Konjunktiv diskutieren, sondern im Aktiv und dies im Präsens oder maximal dem französischen „Futur composé“, also der nahen Zukunft, betrachten. Die Translationsinfrastruktur, die wir heute im Zusammenschluss von Uniklinik RWTH Aachen und Leibniz-Institut aufbauen, wird hierzu die Voraussetzungen schaffen und allen Forscherinnen und Forschern gleichermaßen zur Verfügung stehen. Daher: Es gibt keinen speziellen Fokus auf bestimmte Medizinprodukte oder dergleichen. Wir sind offen für Anfragen von Interessierten, die mit uns den Translationsweg bestreiten möchten, und stehen jederzeit gerne zur Verfügung.
Dr. Schuckelt: Aus der Vielfalt der technischen und medizinischen Expertise sowie der Integration und Kooperation der bestehenden Fördereinrichtungen entsteht ein einzigartiger Synergismus, der alle Aspekte einer Translation abdeckt. Unser holistischer Ansatz zielt auch auf die Vermittlung von Wissen zur klinischen Translation in der Ausbildung der zukünftigen wissenschaftlichen Generation. Durch die gezielten, neuen Ausbildungsangebote und Curricula verfolgen wir, die klinische Translation Teil einer guten wissenschaftlichen Praxis und gelebte Realität an der RWTH Aachen werden zu lassen.
Wie ergänzen sich das Leibniz Joint Lab und das CTC-A in der Translation an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen University?
Prof. Stegemann: Jedes mögliche Translationsprojekt ist anders und erfordert eine individuelle Betrachtung und Herangehensweise. Mit der engen Zusammenarbeit wollen wir Forschenden sowohl der medizinischen Fakultät als auch der anderen Institute die Voraussetzungen bieten, die Translation schon in der Phase der Grundlagenforschung als Ziel mitzudenken und vorzubereiten. Wir sehen uns deshalb als Partner der Grundlagenforscherinnen und -forscher, ihre Innovationen soweit zu entwickeln, dass sie an Patientinnen und Patienten getestet werden können.
Dr. Schuckelt: Da das Leibniz Joint Lab und das CTC-A den Translationsplan von Anfang an gemeinsam entwickeln, werden sowohl die medizinisch-technischen als auch die klinischen und regulatorischen Aspekte berücksichtigt, sodass sich eine aussagekräftige klinische Studie unmittelbar anschließen wird. So ermöglichen wir, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Klinikerinnen und Kliniker schnell eine valide Rückmeldung zu ihren neuen Erkenntnissen und Ideen erhalten und damit den Weg geebnet bekommen, ein neues, innovatives Produkt in die Patientenversorgung zu bringen.
Herr Dr. Schuckelt, wie finden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uniklinik RWTH Aachen Zugang zum CTC-A und dem Leibniz Joint Lab fiT und wie wird sich die Zusammenarbeit gestalten?
Dr. Schuckelt: Egal, ob Kliniker/in oder Wissenschaftler/in – wer ein definiertes Projekt in eine spezifische klinische Anwendung bringen möchte, kann und sollte mit uns Kontakt aufnehmen. In einem ersten Gespräch werden wir dann gemeinsam einen richtigen und gangbaren Weg für die Umsetzung erarbeiten. So erhalten Interessenten schnell ein klares Verständnis über eine klinische Translation ihrer innovativen therapeutischen oder diagnostischen Ansätze.