2010 hat sich der europäische Forschungsverbund European Friedreich’s Ataxia Consortium for Translational Studies (EFACTS) zusammengeschlossen, um den Krankheitsverlauf der Friedreich Ataxie zu untersuchen. Bereits zum dritten Mal hat das Konsortium unter Beteiligung der Klinik für Neurologie der Uniklinik RWTH Aachen im März 2021 seine Forschungsergebnisse in The Lancet Neurology, einer der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften weltweit, veröffentlicht. Die neue Publikation schließt an zwei vorangehende Studien an und zeigt Verlaufsdaten der Friedreich Ataxie über vier Jahre. Der Beitrag ist wegweisend für die Erforschung der neurodegenerativen Erkrankung, für die es bislang noch keine Heilung gibt, und die Etablierung zukünftiger klinischer Studien.
Die Friedreich Ataxie gehört zu den seltenen autosomal rezessiv vererbten Erkrankungen. Bei diesem Vererbungsmodus sind beide Eltern genetische Anlageträger, erkranken aber im Gegensatz zu ihren Kindern nicht selbst. In der Regel tritt die Friedreich Ataxie erstmals um die Pubertät auf. Klinisch führt sie unter anderem zu unkoordinierten Bewegungsabläufen (Ataxie), Haltungs- und Gangstörungen, Gleichgewichts- und Sehstörungen, aber auch zu Herzmuskelerkrankungen, Diabetes und Skoliose. Betroffene werden in der Uniklinik RWTH Aachen im Zentrum für Seltene Erkrankungen Aachen (ZSEA) betreut.
Über den natürlichen Verlauf der Erkrankung ist bisher noch wenig bekannt. Ziel des Forschungsverbunds EFACTS ist daher, die Merkmale und den Verlauf der Friedreich Ataxie besser zu verstehen. Wegweisende Erkenntnisse liefert die neue, in The Lancet Neurology publizierte Studie „Progression characteristics of the European Friedreich’s Ataxia Consortium for Translational Studies (EFACTS): a 4-year cohort study“. Grundlage der Langzeitstudie bildet ein Patientenregister, in dem Daten aus elf klinischen Zentren in sieben europäischen Ländern (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien) zusammenfließen. Geleitet werden das Register und die Studie von Univ.-Prof. Dr. med. Jörg B. Schulz, Sprecher des ZSEA und Direktor der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen. Zusammen mit Univ.-Prof. Dr. med. Kathrin Reetz, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Neurologie, Dr. Imis Dogan, Psychologin in der Neurologie, Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Ralf-Dieter Hilgers, Direktor des Instituts für Medizinische Statistik, sowie dem EFACTS-Team der Uniklinik RWTH Aachen analysierte das EFACTS-Konsortium prospektiv erhobene 4-Jahres-Querschnittsdaten von 602 Patienten mit Friedreich Ataxie. Die Forschungsgruppe konnte zeigen, welche Charakteristika mit dem Fortschreiten der Erkrankung verbunden sind. Die Ergebnisse der von der Europäischen Kommission, Voyager Therapeutics und EuroAtaxia finanzierten Studie sind richtungsweisend für zukünftige klinische (Therapie-)Studien zur Friedreich Ataxie, um Patientengruppen zielgerichtet auszuwählen und den weiteren Verlauf der Erkrankung besser einschätzen zu können.