Federführend hat das Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen im Rahmen einer Landmark-Studie eine computerbasierte Methode entwickelt, die zukünftig die Diagnose von Nierentransplantationsbiopsien automatisieren und damit deutlich vereinfachen und beschleunigen könnte. Dies soll eine verbesserte Behandlungssteuerung von Patientinnen und Patienten mit einer Nierentransplantation ermöglichen. Die Ergebnisse wurden nun im renommierten Fachjournal Lancet Digital Health publiziert.
Als Nierenallotransplantation bezeichnet man die operative Übertragung einer körperfremden Niere (sogennate Spenderniere) in einen anderen Patienten (Empfänger). Das transplantierte Organ stammt somit nicht vom Empfänger selbst, sondern von einem genetisch nicht identischen Spender. Nach erfolgter Nierenallotransplantation besteht daher das Risiko einer Abwehrreaktion des Körpers gegen das Spenderorgan, die im schlimmsten Fall den kompletten Verlust der Organfunktion zu Folge haben kann. Bei 30 bis 40 Prozent aller nierentransplantierten Patientinnen und Patienten kommt es zu solch einer Abstoßung. Damit ist sie die häufigste Ursache für das Versagen von transplantierten Nieren.
Digitalisierung in der Pathologie
Die Diagnose einer akuten Abstoßung wird überwiegend durch eine histopathologische Diagnose an einer Nierenbiopsie aus dem transplantierten Organ gestellt. Das Fachgebiet der Pathologie beschäftigt sich mit solchen histomorphologischen und immunhistochemischen Analysen menschlicher Gewebeproben und nimmt damit eine Schlüsselfunktion in der medizinischen Diagnostik ein. „Die histopathologische Beurteilung von Transplantatbiopsien ist derzeit die Standardmethode zur Diagnose der Abstoßung von Allotransplantaten“, sagt Univ.-Prof. Dr. med. Peter Boor, Oberarzt am Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen und Leiter der Studie. „Sie ist jedoch einer der schwierigsten Bereiche der Pathologie, der viel Fachwissen, Zeit und Aufwand erfordert“, führt er fort.
Die Digitalisierung schreitet auch in der Pathologie voran und ermöglicht die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem bzw. tiefen Lernen (Deep Learning). „Zwar steht die Implementierung dieser modernen Technologien im Fachbereich Pathologie noch am Anfang und randomisierte, prospektive Studien zum Einsatz Künstlicher Intelligenz fehlen noch weitestgehend, doch mit unserer Studie – die größte auf diesem Gebiet – konnten wir das große Potential einer KI-basierten Diagnostik von Nierentransplantationsbiopsien belegen“, so Studienkollege Dr. med. Roman D. Bülow, Assistenzarzt am Institut für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen.
Pathologen erproben Künstliche Intelligenz in der Nierentransplantationsdiagnostik
Um den Nutzen von Deep Learning nachzuweisen, arbeiten die Partner aus der Forschung und Versorgung an einem digitalen, automatisierten Unterstützungssystem, um die Nierentransplantationsdiagnostik zu vereinfachen. „Im Rahmen unserer Forschungsarbeit haben wir mehr als 5.800 Objektträgerbilder von Nierenallotransplantatbiopsien von rund 2.000 Patientinnen und Patienten verwendet. Diese Proben wurden durch eine Datenbanksuche in den Abteilungen für Pathologie der Aachener Uniklinik, des Amsterdam UMC und des University Medical Centers Utrecht ermittelt“, erklärt Prof. Boor das Vorgehen. Mithilfe von „Deep Learning“ – einer Form des auf Künstlicher Intelligenz beruhenden Maschinenlernens, die vom menschlichen Gehirn inspiriert ist – wurden künstliche neuronale Netze trainiert, um Allotransplantatbiopsien wie folgt zu klassifizieren: „normal“, „Abstoßung“ und „andere Krankheiten“. Durch Visualisierungstechniken wurden abstoßungsrelevante Bereiche von Biopsien im Tubulointerstitium hervorgehoben.
„Ziel unserer Studie war es, den Nutzen von Deep Learning zur Vorklassifizierung der Histologie von Nierenallotransplantatbiopsien in drei Hauptkategorien – also normal, Abstoßung und andere Krankheiten – als Biopsie-Triage-System mit Schwerpunkt auf Transplantatabstoßung zu analysieren“, so Prof. Boor. „Dies ist uns auch gelungen: Eine auf Deep Learning basierende Klassifizierung von Transplantatbiopsien könnte die pathologische Diagnostik der Abstoßung von Nierentransplantaten in der Zukunft unterstützen“, ergänzt Dr. Bülow.
Computerbasierte Methoden könnten langfristig dazu beitragen, dass mehr nierentransplantierte Patientinnen und Patienten einen Zugang zu einer an ihre speziellen Bedürfnisse angepassten, optimalen Therapie erhalten, um eine Abstoßung zu verhindern.
Zusammenarbeit auf internationalem Niveau
An der Studie beteiligt waren maßgeblich das Institut für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen, Jun.-Prof. Dr. med. Jakob Nikolas Kather, M.Sc. aus der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen sowie weitere internationale Partner primär aus den Niederlanden und Belgien.
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