Etwa 9.200 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die weltweite Verfügbarkeit von Spenderorganen ist knapp – wer beispielsweise auf eine neue Leber angewiesen ist, muss lange darauf warten. Um der Herausforderung des weltweiten Organmangels zu begegnen und den Spenderpool zu erhöhen, arbeitet die Uniklinik RWTH Aachen an klinischen und experimentellen Studien zur Maschinenperfusion, die es ermöglicht, Organe auch nach einem Kreislaufstillstand zu entnehmen und qualitativ aufzubereiten. Der Einsatz der sogenannten HOPE-Methode verringert nicht nur Komplikationen, sondern hat auch das Potential, das Überleben zu erhöhen.
Hoffnung für Leberkranke
Die Leber ist eines der komplexesten Organe, das nicht – auch nicht temporär – durch eine Maschine ersetzt werden kann. Daher geht es bei Menschen, die eine neue Leber benötigen, oft sehr direkt um Leben und Tod. Insgesamt gibt es für alle Organe zu wenige Spender, eine unzureichende Infrastruktur und zu wenig Öffentlichkeit. 11 Organspender kommen auf eine Million Bürgerinnen und Bürger. Damit sind die Deutschen Schlusslicht in Europa. Zum Vergleich: In den meisten anderen Ländern sind es mindestens doppelt so viele, in Spanien sogar 49. Auf den Wartelisten der zentralen Verteilungsorganisation, der Stiftung Eurotransplant, stehen folglich viel mehr Menschen als Organe zur Verfügung. Für die Leberkranken bedeutet das, dass rund ein Drittel der Menschen auf der Warteliste nicht überleben. Warum ist das so?
In Deutschland wird die Organspende über die Entscheidungslösung geregelt. Das heißt: Die Entnahme von Organen nach dem Tod ist nur zulässig, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten oder stellvertretend die Angehörigen zugestimmt haben. Doch nur ein Drittel aller Deutschen verfügt überhaupt über einen Organspendeausweis. Aufgrund geringer Spendebereitschaft sowie immer älteren Organspendern nimmt die Spenderorganqualität stetig ab, und Transplantationsmediziner sind zunehmend gezwungen, auch Organe zu verwenden, die bereits geschädigt sind. Eine solche Schädigung ist überwiegend auf eine unzureichende Sauerstoff- und Nährstoffversorgung während der Entnahme aus dem Körper des Spenders, auf die längere Lagerung und die Transplantation zurückzuführen. Ältere, bereits vorgeschädigte Organe zeigen eine deutlich reduzierte Toleranz. Weil diese Faktoren beim Empfänger zu einem erhöhten Komplikationsrisiko führen können, muss auf den Einsatz des Spenderorgans teilweise sogar gänzlich verzichtet werden. Der Organmangel ist und bleibt also akut – ihn zu lindern ist das Ziel aller Bemühungen.
Bessere und mehr Organe dank Maschinenperfusion
Umso bedeutender ist es, neue Wege zu erforschen, mit denen mehr Organe erfolgreich eingesetzt werden können. Aus diesem Grund beschäftigen sich Priv.-Doz. Dr. med. Zoltan Czigany, Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter, sowie Univ.-Prof. Dr. med. Ulf Neumann, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, gemeinsam mit einem Team von Klinikern und Wissenschaftlern im Rahmen klinischer und experimenteller Studien mit der Verbesserung der Transplantabilität von marginalen Organen in der Nieren- und Lebertransplantation. Der aktuelle Fokus der Arbeitsgruppe liegt in der klinischen und experimentellen Anwendung von Organrekonditionierung durch die sogenannte hypotherme oxygenierte Maschinenperfusion (HOPE) sowie in der Erforschung von Einflussfaktoren auf das Gesamtüberleben nach experimenteller und klinischer Organtransplantation.
Die neue, innovative HOPE-Methode soll die Erfolgschancen bei Transplantationen mit der Verwendung von grenzwertigen Organen erhöhen. „Hierbei werden gespendete Organe vor dem Einsetzen ex vivo, also außerhalb des Körpers, an eine Pumpe angeschlossen und quasi rekonditioniert, sprich aufgeladen beziehungsweise wieder instand gesetzt“, erklärt Dr. Czigany den Behandlungsansatz.
Die Leber „am Leben erhalten“
Aus chirurgischer Sicht ist die Lebertransplantation heute ein gut etabliertes Verfahren. Der Gesamterfolg der Lebertransplantation hängt jedoch stark von der Grunderkrankung und vom Gesamtzustand der Patienten ab sowie ganz entscheidend von der Qualität des Spenderorgans. „Gerade in Zeiten sinkender oder stagnierender Organspendebereitschaft und immer älteren Organspendern nimmt die Spenderorganqualität stetig ab, sodass wir zunehmend auf sogenannte marginale Organe zurückgreifen müssen“, erläutert der junge Arzt und Wissenschaftler den Hintergrund. Marginale Organe sind Spenderorgane, die von nicht idealen Spendern, wie beispielsweise morbid adipösen oder älteren Menschen, stammen. Grundsätzlich besteht das Bestreben, möglichst jedes Spenderorgan zu transplantieren und dieses im Empfänger so lange wie möglich funktionsfähig zu halten.
„Mithilfe der neuen Technik lassen sich nun sogar Spenderlebern erfolgreich transplantieren, die vorher aufgrund der Qualität oder Lagerungszeit nicht mehr hätten verwendet werden können“, so Dr. Czigany. Das Besondere an der HOPE-Technik ist eine spezielle Vorbehandlung und kontinuierliche Spülung der Leber. „Vor der Transplantation spülen wir die entnommene Leber direkt im Operationssaal mit einer kalten Lösung aus“, erläutert der Mediziner. Dabei handelt es sich um eine 8 bis 10 Grad kalte Lösung, die mithilfe eines sogenannten Membranoxygenators mit Sauerstoff angereichert ist. „Die marginale Spenderleber wird bis zu vier Stunden lang kontinuierlich perfundiert. Das Ziel der Kühlung ist es, den Energieverbrauch des Transplantats zu drosseln, während die erhöhte Sauerstoffzufuhr dazu dient, den mitochondrialen Stoffwechsel der Zellen aufrechtzuerhalten.“
Die Uniklinik RWTH Aachen ist eines der ersten Transplantationszentren in Deutschland, das dieses Verfahren im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie angewendet hat. Aktuell abgeschlossene Studien aus Aachen, Groningen und Zürich werden noch in diesem Jahr zeigen, wie groß der Vorteil für die Patienten ist. Mittlerweile werden in Deutschland zunehmend an mehreren Kliniken Maschinenperfusionsprogramme ausgebaut, damit können zukünftig mehr Patientinnen und Patienten von einer Rekonditionierung von Spenderorganen profitieren.
Steigerung der Transplantations- und Überlebensrate
Nicht zuletzt aufgrund des so wichtigen Zeitfaktors bei Transplantationen stellt die Möglichkeit, Organe außerhalb des Körpers vorübergehend am Leben zu erhalten und sie vorzubehandeln, ein Meilenstein der Medizin dar. „So können Vorschäden sowie die Schädigungen der Leber zwischen Entnahme beim Spender und der Transplantation stark reduziert und die Funktion des Organs beim Empfänger verbessert werden“, resümiert der Wissenschaftler. Das neuartige maschinelle Perfusionsverfahren hat auf lange Sicht großes Potential zur Verminderung des Organmangels und zur Steigerung der Transplantationsrate, was letztlich mit einer Reduktion der Sterblichkeit auf der Warteliste einhergeht.