Die Chirurgie der Bauchspeicheldrüse, die sogenannte Pankreaschirurgie, war traditionell eine Domäne der offenen Chirurgie mit Bauchschnitt. Mittlerweile kommt bei Pankreasoperationen immer häufiger der da Vinci-Roboter zum Einsatz. Ein Team um den Stellvertretenden Klinikdirektor der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, Priv.-Doz. Dr. med. Florian Ulmer, hat in den letzten Jahren ein strukturiertes da Vinci-Programm für minimal-invasive viszeral(-onkologische) Eingriffe etabliert und wertet das Outcome im Vergleich zu konventionellen OP-Techniken wissenschaftlich aus.
Waren Roboter vor einigen Jahrzehnten noch bloße Science-Fiction, sind sie heute aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Sie bauen Autos, mähen Rasen, saugen unsere Flure, tauchen in die Tiefen der Ozeane – und unterstützen selbst bei Operationen, zum Beispiel bei der Entfernung eines Pankreaskarzinoms (Bauchspeicheldrüsenkrebs). In Deutschland ist dies die dritthäufigste Krebsart mit wachsender Anzahl von Neuerkrankungen. Zudem ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs besonders bösartig: Er ist für etwa sechs Prozent aller Krebstodesfälle verantwortlich. Die Erkrankung kann in jedem Bereich des Organs auftreten, meist ist jedoch der Kopfanteil der Bauchspeicheldrüse betroffen. Dann müssen neben der rechten Hälfte der Bauchspeicheldrüse auch der Zwölffingerdarm und die Gallenblase entfernt werden. „Wir sprechen hier von der sogenannten Whipple-Operation. Ein wichtiger Bestandteil dieser Operation ist die Rekonstruktion der Speisepassage und die Einleitung der Galle- und Pankreasflüssigkeiten in den Dünndarm“, erklärt Dr. Ulmer das Vorgehen. Seltener, so weiß der Experte, liegen die Tumoren im Schwanz oder Körper des Pankreas. In diesen Fällen entfernen er und sein Team die linke Seite der Bauchspeicheldrüse, in manchen Fällen zusätzlich auch die Milz. Im Gegensatz zur Pankreaskopfresektion entfällt bei der Pankreaslinksresektion allerdings die aufwendige Rekonstruktion, da der Gallengang und der Zwölffingerdarm erhalten bleiben.
Winzige Schnitte statt offene Bauchdecke
Aufgrund seiner Lage im Bauchraum zählt die Entfernung des Pankreaskopfes zu einer der aufwändigsten und schwierigsten Operation in der Viszeralchirurgie. In der konventionellen offenen Chirurgie sind hierzu große Schnitte in der Bauchdecke nötig. Bei der robotergestützten Operation entfällt dieser Schnitt. Stattdessen macht der Chirurg vier bis fünf winzige Hautschnitte (0,6 bis 1,2 Zentimeter), über die OP-Instrumente in den Bauchraum geführt werden können. Die Roboterarme des Systems sind mit verschiedenen chirurgischen Instrumenten sowie einer hochauflösenden 3D-Kamera ausgestattet. „Viele Patienten glauben, der Roboter übernimmt die OP für uns. Das stimmt natürlich nicht. Wir sitzen an einer Steuerkonsole und sehen ein vergrößertes, hochauflösendes 3D-Bild des Operationsfeldes. An dieser Konsole befinden sich zwei ‚Joysticks‘, über die wir die Roboterarme steuern können. Der Roboter übersetzt unsere Hand- oder Fingerbewegungen in Echtzeit in präzise Bewegungen der vier Roboterarme“, berichtet Dr. Ulmer, der sich auch nach einigen Jahren immer noch fasziniert zeigt von der Technik.
Forschungsergebnisse sollen Patientennutzen belegen
Seit Beginn des Programms haben er und sein Team – allesamt im Rahmen internationaler Trainingsprogramme aufwendig geschult – unter anderem über 50 robotergestützte Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse durchgeführt. Wissenschaftlich soll das kurzfristige und langfristige Outcome der Pankreasoperationen ausgewertet werden. Im Fokus stehen dabei eine kürzere Verweildauer, weniger Schmerzmittelbedarf, eine frühere Mobilisierung, weniger Bauchdeckenhernien und ein mindestens gleichwertiges onkologisches Outcome. Darüber hinaus evaluiert das Team, welche Patienten sich besonders für eine roboterunterstützte Pankreasresektion eignen. „Die bisherigen Erfahrungen geben erste Hinweise, dass die Pankreaseingriffe mit dem da Vinci-Roboter der offenen Chirurgie überlegen sein könnten“, gibt Dr. Ulmer Einblick in die ersten Ergebnisse.
Einsatz des da Vinci®-Roboters in der Uniklinik RWTH Aachen
Insgesamt verfügt die Uniklinik RWTH Aachen über einen da Vinci®-Roboter mit zwei Konsolen.
Der Schwerpunkt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie ist seit über zehn Jahren die hepatobiliäre Chirurgie mit jährlich über 300 Eingriffen an der Leber und circa 100 Eingriffen an der Bauchspeicheldrüse. Auch die Eingriffe an der Leber werden vermehrt minimal-invasiv mithilfe des da Vinci® durchgeführt.
In der Sektion Robotik der Klinik für Urologie kommt der Roboter bei der radikalen Prostatektomie (kompletten Entfernung der Prostata bei Prostatakrebs), bei der radikalen Zystektomie (komplette Entfernung der Harnblase bei Blasenkrebs) und zur partiellen und kompletten Nephrektomie (Nierenentfernung bei Nierenkrebs) erfolgreich zum Einsatz. Zusätzlich kann er seine Vorteile bei rekonstruktiven Eingriffen wie zum Beispiel der Nierenbeckenplastik – bei Verengung des Harnleiters unmittelbar an der Niere – ausspielen.
Die Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin nutzt den da Vinci® bei urogynäkologischen Operationen im Rahmen der Beckenbodenrekonstruktion und bei übergewichtigen Patienten. Künftig sollen auch Gebärmutterentfernungen sowie andere Operationen an der Gebärmutter und den Eierstöcken, beispielsweise Myome, Tumoren oder Verwachsungen mithilfe der robotischen Chirurgie vorgenommen werden.
Die Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie bedient sich des da Vinci®-Roboters vor allem bei Bypass-Operationen und bei Eingriffen an der Mitralklappe.